Warum bin ich in Tanger?
Weshalb nach dem Aufenthalt im Süden wieder die 900 Kilometer zurück fahren?
Rein praktisch ergibt das wenig Sinn, war jedoch eine der Überlegungen vorweg in Deutschland…
In Deutschland hatte ich organisiert und organisiert – typisch deutsch – und zwar so lange und so viel, dass es dann am Ende wirklich grenzwertig war und ich mir selbst viel von der Vorfreude auf Marokko genommen hatte.
Vieles davon war notwendig, zumal ich auch meine Arbeit und Wohnung gekündigt habe und dies einiges an Aufwand war. Einiges davon hätte ich mir aber auch ersparen können, vor allem die „präventiven Maßnahmen“ zur Entkräftung diverser Befürchtungen, die ich gehegt hatte.
mich in Marokko sprachlich nicht genügend ausdrücken zu können
und mich zu Anfangs verloren zu fühlen.
Daher wollte ich einen geeigneten ersten Aufenthaltsort festlegen, um von hier aus zu einem passenden Zeitpunkt weiter- bzw. loszuziehen. Die Idee, mir entsprechend meines beruflichen Fachgebiets eine soziale oder pädagogische Organisation zu suchen, bei der ich gegen Mitarbeit mit Butyi, meinem Hund wohnen kann, lag nahe.
Die erste herzliche Einladung kam über Facebook von Tarik, den ich dann im Sommer letzten Jahres in Stuttgart traf.
Sein „German Kindergarten“ in Tanger sollte meine erste Anlaufstelle und mein Ausgangspunkt sein. Ich würde am Alltag der Einrichtung teilnehmen und durch den Umgang mit den Kindern und Betreuerinnen, die sich auf Arabisch und Französisch unterhalten, sicherer in den Sprachen werden. Als Gegenzug würde ich in den auf Deutsch gehaltenen Teambesprechung mit den deutsch-marokkanischen Gründern, meine Beobachtungen als mögliche Impulse zur Weiterentwicklung der Einrichtung einbringen.
Nun bin ich
seit drei Tagen
in Tanger
und es ist
ganz anders als erwartet.
Tanger und Butyi,
Tanger und ich,
das passt nicht zusammen!
Butyi und ich haben ein Zimmer mit Dachterasse in der dritten Etage des Kindergarten-gebäudes be-kommen, haben jedoch das grund-legende Problem nur „versteckt“ und außerhalb der Stoßzeiten nach unten ins Freie zu können.
Die Eltern sind kritisch, was Hunde betrifft. Aus Angst die Eltern als Kunden wegen des Hundes zu verlieren, daher diese Bitte der Kindergartenbetreiber, die für mich und Butyi allerdings starre und auf Dauer wenig praktikable Strukturen schafft.
Hinzu kommt die hunde-unfreundliche Umgebung der näheren Umgebung in dieser Stadt.
Ich kann den Hund nirgends von der Leine lassen. Wir sind umgeben von großen Straßen und Autos oder essbarem Abfall, weiterhin wird in Tanger anscheinend Gift gegen die streunenden Tiere gestreut.
Dies alleine reicht bereits aus, um Tanger den Rücken zuzukehren.
Ich werde in den Cafés und beim Einkaufen freundlich bedient und empfangen, doch spüre ich den Unterschied in den Begegnungen. Die Menschen haben Angst. Auf der Straße haben wir immer einen Meter Platz um uns, alles weicht uns aus.
Die Angst der Menschen hier kann ich mittlerweile allerdings gut nachvollziehen.
habe ich zum ersten Mal Kontakt mit den sogenannten Tcharmil
und bin entsetzt.
Diese Jugendlichen und Männer halten sich Hunde – bisher sah ich ausschließlich junge Rassehunde, vor allem Huskys und Schäferhunde – und machen diese gezielt scharf gegenüber ihren Artgenossen und vermutlich auch Menschen.
Ich sehe die Hunde, die an den Leinen aufgestachelt und gequält werden und mir blutet das Herz. Diese Menschen scheinen keinerlei Gespür oder Verständnis für andere Lebewesen zu haben, sie behandeln diese wie Spielzeug, mit dem sie sich die Zeit vertreiben und durch das sie sich darstellen können.
Dieselben Hunde sah ich abends wieder, teilweise an kurzen Ketten, in den Höfen der teuren Villen hier in Balia…
In Mohammedia hatte ich ähnliche Erfahrungen.
Aus einem Hof kamen sieben Hunde geschossen, die sich nicht mit Warnungen zufrieden gaben und sich auch nicht durch meine Schreie und die Steine (die ich mittlerweile mit mir führe) abhalten ließen. Ein Pekinese führte mehrere Attacken aus und hing zuletzt an Butyis Hals. Der Marokkaner, dem diese Hunde gehörten, fand dies äußerst unterhaltsam und vertrieb seine Hunde gegen Ende halbherzig, ohne in irgendeiner Form Bedauern über den Vorfall zu zeigen.
Ein anderer Marokkaner führte die Hunde von Ansässigen aus. Auch diese Begegnung war wenig schön. Er war sichtlich stolz auf die beiden großen „wilden“ Schäferhunde, von denen er sich mit gesträubtem Fell immer näher zu uns ziehen ließ.
Hier in Tanger erschrecken die Menschen wenn sie Butyi sehen. Im Café und anderen Situationen, in denen wir verweilen, legt sich dies. Sie sehen den freundlichen Hund, der bei seinem Menschen sitzt und liegt, doch dieser Anblick scheint hier selten zu sein.
Was sagt ein enttäuschtes Gesicht eines Kindes über sein Land aus,
wenn es feststellt, dass der Hund freundlich ist?
Die Grösse und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt, das sagte Mahatma Gandhi.
Ich muss oft an diesen Ausspruch denken und stelle wieder einmal fest: Marokko ist kein kulturell einheitliches Land. Wie unterschiedlich gehen hier die Menschen mit Tieren (und Kindern) um. Das Verhalten im Süden entspricht meiner Wahrnehmung nach in keinster Weise der Mentalität der Leute hier oben.
Das ist nicht das Marokko, das ich kennen und lieben gelernt habe!
Ich spüre hier nichts von der Freiheit der Natur, mir fehlt das Herzliche und Fröhliche der ländlichen Bevölkerung und das Traditionelle ist hier einer, wie ich finde, überzogen modernen, französisch-europäischen Lebensart gewichen.
Hier geht es um Arbeit, Geld und Prestige und zwar von Kindheit an. Die Gespräche mit den Kindergartengründern (Interview im nächsten Beitrag) verstärkt diesen Eindruck.
Den Plan, mich hier einzuleben, verwerfe ich.
Ich werde euch noch den German Kindergarten vorstellen und dann geht es zurück Richtung Süden!!!