Marokkanische Geschichten

 

Vor fast vier Monaten bin ich in Deutschland aufgebrochen,

um Marokko zu entdecken,
um mich frei zu machen von Ungewolltem
und mein deutsches Leben durch die Auseinandersetzung mit dieser Kultur zu bereichern.

Ich wusste immer, egal wie lange ich bleiben und wie es sich entwickeln würde, unabhängig von den konkreten Erfahrungen – den schönen und den schwierigen -, ich würde reich in mein eigenes Land zurückkehren und mir eine Mischung aus dem Besten beider Welten schaffen.

Und letztendlich – das war mir stets ein Traum gewesen – bin ich auch nach Marokko, um mit Sprache zu spielen und Geschichten zu erzählen…

 


Angst hatte ich nie.
Viele meinten, wie mutig dieser Schritt sei: Die Arbeit und Wohnung zu kündigen, alleine mit Auto und Hund, ohne festumrissenen Plan aufzubrechen und meine Erfahrungen als Frau in einem vom Islam geprägten Land sammeln zu wollen. 

Ich habe lange nach einem alternativen Begriff für Mut gesucht, bis jetzt aber noch keinen gefunden.
Ich kann lediglich umschreiben und erklären, weshalb diese Entscheidung und dieser Schritt selbst nichts mehr mit Mut zu tun hatten.
„Mut“ war davor vonnöten. Die Realisierung der Idee nur die Konsequenz.

 

Mut ist, wenn man Angst hat und trotzdem handelt. Ich hatte keine Angst.

Hans im Glück und ich… Im Dezember hatte ich davon geschrieben, wie leicht es mir fiel, mich zu lösen. Das Märchen könnt ihr unter der Rubrik „Kluge Sprüche – schöne Worte“ nachlesen.

Ich hatte damit gerechnet, dass sich etwas Angst einstellen würde, wenn ich meine Verpflichtungen und Sicherheiten nach und nach kündigen würde.
Doch Fehlanzeige:
Zu lange schon hatte ich mich zu diesem Schritt entschieden. Es endlich zu tun, war jedes Mal eine Erleichterung. Damals hatte ich mich wie Hans im Glück gefühlt, der nach und nach seinen Goldbarren eintauscht und mit leichtem Herzen weiter seines Weges geht.

Ich vermutete, dass ich spätestens dann Angst vor meiner eigenen Courage bekommen würde, wenn ich in der leeren Wohnung sitzen und mein ganzes Hab und Gut der nächsten Monate in meinem Auto verpackt vor mir sehen würde, wenn mir die Realität und die Konsequenzen und meines Handelns  bewusst  werden würden.
Dem war nicht so. Ich war einfach nur froh, alles erledigt und geschafft zu haben und dem Stress zu entkommen.

Ich ging davon aus, dass ich in Marokko die ersten drei Monate in Euphorie verbringen würde, um dann nach dem Verklingen der Urlaubsstimmung in der Realität anzukommen und dass es mich dann wirklich Mut und Durchhaltevermögen kosten würde zu bleiben.
Doch auch hierbei habe ich mich getäuscht: Die Krise hatte ich direkt am Anfang meines Aufenthalts. Doch das Gefühl fremd oder einsam zu sein und wieder ins Bequeme zurück zu wollen, das hatte ich trotz aller Schwierigkeiten nie. Und nach den ersten herausfordernden Wochen habe ich begonnen zu erahnen, was es bedeuten kann autark zu reisen und sich auf die Momente und Begegnungen einzulassen.
Zu bleiben hatte mich also auch keinen Mut gekostet!

 

Was mich und mein Projekt „Azul Marokko“ betrifft, muss ich den oben angeführten Ausspruch abändern.

Mit dem Entschluss,
der eigenen Bestimmung zu folgen,
fangen die schönsten Geschichten an.

Ich wusste immer, dass das Leben, wie ich es bisher geführt habe, nicht meinem Wesen entspricht. Ich wusste auch, wie ich leben möchte, habe es jedoch – aufgrund meiner eigenen Grenzen – innerhalb des gewohnten Systems nicht geschafft, mir diesen Raum zu schaffen.

Jeder steht in seinem Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Entscheidung, auf sein Inneres zu hören oder diesen Ruf zu verleugnen.

„In ihren Herzen wussten sie, dass Glück kein Geschenk, sondern eine Option ist, für die man sich im Leben entscheiden kann“ (Bambaren).

Sobald man seine Idee vom eigenen guten Leben, seine „Bestimmung“ – so will ich es nennen – kennt, gibt es nur zwei Optionen: Ich kann mich dem verschließen und in dem Wissen, dass ich ein Leben lebe, das mich nicht erfüllen wird, weitermachen wie bisher. Oder ich höre auf meine innere Stimme und mache den ersten Schritt zur Veränderung meiner Lebensführung.

 

Ich glaube, dass viele tief in ihrem Innern wissen, dass sie ein falsches Leben führen, sich dem aber nicht stellen. Denn dies kostet Mut!

Wenn ich mir in aller Deutlichkeit bewusst werde, dass ich dieses Leben, das ich aller Voraussicht nach nur einmal durchleben und haben darf, dass ich dieses eine wertvolle Leben verschleudere, weil ich etwas tue oder darstelle, das mir im Wesen nicht entspricht, wie frustrierend und sinnlos muss das sein?! Und das noch mehr, wenn es letztendlich an mir selbst liegt, es zu verändern. Sobald man einmal diese Stimme wahrgenommen und verstanden hat, welche Ausflüchte bleiben dann noch, hat man nicht den Mut, sich zu verändern?
Man kann es noch so sehr vergraben und versuchen mit anderem zu übertönen, unbewusst bleibt dieses Wissen und das Gefühl, nicht das Leben gewählt zu haben, das passt.

Ich bin davon überzeugt, dass jeder zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem freien Land die Option hat, ein Leben zu führen, das ihm entspricht. Für den einen mag es aufgrund seines sozialen und kulturellen Kapitals einfacher sein als für den anderen, doch behaupte ich trotz dessen, dass die Grundvoraussetzungen in einem sicheren und demokratischen Staat für fast alle gegeben sind.
Ich bin in Marokko, dessen Regierung eine Mischung aus demokratischen und autoritären Elementen darstellt, in dem die Grenzen der persönlichen Freiheit weit enger sind, als wir in Deutschland lebenden Menschen es kennen, in dem die Entscheidung, sein Leben zu führen, oft einen hohen Preis fordert.
Wir dagegen begrenzen uns selbst durch unsere Ängste und unser überzogenes Sicherheitsdenken, durch unsere Bequemlichkeiten und nicht selten durch die Frage, was „die Anderen“ von uns denken und verschenken damit unser Leben!
Es kostet Mut, die inneren Grenzen zu überschreiten. Doch wir müssen nicht um unser leibliches Wohl fürchten, wir müssen selten mit der gesamten Tradition oder unserer Familie brechen und müssen uns nicht wegen unserer Religion, unserem Geschlecht und politischen Ansichten verstecken, solange wir den anderen in seinen Überzeugungen und Grenzen ebenfalls respektieren.

Sich für ein Leben in den angeblich vorgezeichneten Bahnen zu entscheiden, ist vollkommen in Ordnung. Die Entscheidung liegt in der Hand jedes Einzelnen.
Nur für mich war dies keine Option mehr. I
ch kann auf Dauer nicht gegen meine Überzeugungen leben.
Wenn man seine Bestimmung zu kennen glaubt und sich für die eigene Idee davon entschieden hat, ist es einfach loszugehen. Man muss es einfach tun. Leicht ist nicht unbedingt, doch was macht das schon? Allein die Entscheidung macht bereits frei und froh.

 

Und nun bin ich gedanklich wieder beim Hans im Glück angekommen.

Dieser ging seinen Weg und nach verschiedenen Zwischenstationen marschierte er am Ende froh und leicht nach Hause und freute sich des Lebens.
Mein Weg war diese Reise zu unternehmen und einiges an Last los zu werden und dafür reich an Leichtigkeit und mit neuen Erfahrungen im Gepäck zurück zu kommen, um mein Leben damit zu bereichern und mir ein neues Zuhause zu schaffen.

Ich habe es keinen Tag bereut, diese Entscheidung nie in Frage gestellt. Nun merke ich aber:  Es ist gut. Die Zeit ist um. 

Ich möchte nach Hause – und damit meine ich: Deutschland -, will Wälder und Wiesen sehen, die Bäume rauschen hören und unauffällig, wie jeder andere auch, durch die Straßen gehen können. Ich will wieder meine eigenen vier Wände haben, in denen ich meine Erlebnisse ordnen und als Anekdoten niederschreiben kann.

Ich habe daher eine Fähre von Tanger nach Savona gebucht und verbringe gerade die letzten Tage in Casablanca, um hier Freunde zu treffen und in angenehmen Temperaturen letzte Erledigungen zu machen. In 10 Tagen – Inshallah – werde ich auf dem Schiff Richtung Europa sein.

Mir geht es gut mit dieser Entscheidung und freue mich auf meinen nächsten Schritt, die Gestaltung meines Lebens mit deutschen Elementen, die ich hier wieder mehr zu schätzen gelernt habe, und marokkanischen Bestandteilen, die das Leben anreichern werden.

Was ich von meiner Reise und meinen Erfahrungen nun konkret mitnehme, wie ich damit weiterarbeiten möchte und was ich wie umsetzen werde, all das wird Thema der nächsten Monate sein.

Aus dem deutschen Blog, der sich die letzten Monate mit Marokko auseinandergesetzt hat, soll nun ein deutsch-marokkanisches Patchwork entstehen.

Genauso wie das Abenteuer „Azul Marokko“ seine Fortsetzung an einem neuen Schauplatz mit einer neuen Episode finden wird, ging ja auch die Geschichte vom Hans im Glück weiter, auch wenn wir als Leser nicht mitgenommen wurden. Wir wissen nicht, was ihn zu Hause erwartet hatte, wie er dort mit dem Leben zurecht kam und ob es ihn vielleicht nicht wieder in die Ferne gezogen hatte.

In Deutschland steht der nächste Schritt meines „Azul Marokkos“ an:
Wo und wie werde ich in Deutschland leben? Unter anderem habe ich ja meine Wohnung vor meiner Abreise gekündigt.
Welche Erfahrungen und marokkanischen Elemente habe ich „mitgenommen“ und wie werde ich es schaffen, diese zu integrieren? Marokko ist ein Teil meines Lebens und ich möchte mir eine Mischung schaffen, mir nach und nach das Beste beider Welten zu verbinden.

Und letztendlich ist da das Band, das mir Altes und Neues, Deutsches und Marokkanisches, mein Traum und diese Wirklichkeit zusammenfügt: Ich werde meine Erlebnisse vervollständigen und am Ende ein Buch – marokkanische Geschichten – in den Händen halten!

 

2 Replies to “Marokkanische Geschichten”

  1. Hallo Stefanie, ich bin immer dabei was neues in dein Blog zu lesen! Wie kommt es, dass du nicht die 10 Monate in Marokko bleibst? Ich würde noch gerne wissen warum Marokko kein Land für immer für dich ist?
    Viele Grüße
    Christian

    1. Hi Christian,
      ich suche eine Mischung aus beiden Kulturen und beiden Ländern.
      Ich habe vieles in Deutschland, das ich liebe und nicht missen möchte, so dass es für mich in näherer Zukunft keine Option ist, ganz nach Marokko zu gehen.
      Warum ich die 10 Monate nicht komplett ausnutze? Zum einen wären es nach den neuen Visabestimmungen nurnoch 6 Monate möglich gewesen. Ich habe jetzt aber einfach gemerkt, dass es reicht. Ich will und brauche meine eigenen vier Wände, auch um in Ruhe zu schreiben. Weiter herumzureisen hat nicht mehr gepasst, weder für mich – es reicht – noch für den Hund. Dieser muss dringend nach Hause und braucht seine gewohnte Umgebung und Ruhe.
      Das wars in Kurzversion. 🙂
      Werde ja aber immer wieder nach Marokko gehen.
      Das meiste, was ich vorhatte, war nicht umsetzbar mit Butyi und werde ich ohne ihn in Angriff nehmen.

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