Wir sind Hans!

 

 

Hand der Fatima (xmisa)

Letzte Woche hatte ich, hier bei mir im Schwarzwald, Besuch von marokkkanischen Freunden.

Sie brachten mir neue Energie und ein Stückchen marokkanisches Lebensgefühl mit, wozu nicht nur die Freude über den Tag, sondern auch unbedingt die Gelassenheit, was Unterkunft, Planung und Zeit angeht, gehört.

 

Schlafgelegenheiten à la marocaine

Tatsächlich war es Omar, der marokkanische Gast aus Rabat, der mich Deutsche jeden Abend anschaute und lachend sagte:

Stefanie, Ziel nicht erreicht!“

Entweder waren wir zu spät für die von mir angedachte Wanderung dran oder die Führung durch die Heidelberger Altstadt fand erst gar nicht zu der von mir reservieren Uhrzeit statt. Auch auf Karaoke mussten wir lange warten. Wir waren genau genommen eine Woche zu spät dran. Nun ja…

 

 

 

Die Hauptstraße in Heidelberg kennen wir jetzt ziemlich gut…

Trotz dessen, unserem Spaß tat dies keinen Abbruch – und ich wurde von Mal zu Mal entspannter…

Statt der geplanten Wanderung fuhr ich mit den beiden „irgendwo anders“ hin  – letztendlich, dachte ich mir, sieht für Fremde im Schwarzwald eh alles gleich aus.
Statt der geplanten Altstadtführung gings (unter anderem nach intensivem Suchen nach preiswerter aber guter deutscher Schokolade für 100 Leute in Omars Firma) über den Weihnachtsmarkt.
Und statt Karaoke waren wir in einem Club in Pforzheim tanzen (Was an sich bereits ein Unding ist. Wer Pforzheim kennt, weiß wovon ich spreche!).

 

Die prägnantesten Situationen und schönsten Erlebnisse sind doch meist die, die eben nicht geplant stattfinden, die überraschen.

 

Nach einem typisch marokkanischen Start (beide kamen nach Angaben diverser Zeiten unterschiedlich und bis zu vier Stunden zu spät nachts am Bahnhof an) und nach verbleibenden fünf Stunden Schlaf, schleppten sich beide Marokkaner – mehr oder weniger begeistert – am nächsten Morgen mit mir zur Schule, an der ich angehende ErzieherInnen unterrichte.

Eine Wahl hatten sie nicht. Frei nehmen geht als Lehrerin nicht und mein Hund achtet, wie es sich für einen ordentlichen Schnauzermix und Hundemann gehört, genau darauf, wer in meiner Abwesenheit das Haus betritt (im Normalfall keiner) und sich hier aufhält.
Im Nachhinein hat ebendieser Hund nicht nur das Herz beider Marokkaner erobert, sondern war auf sämtlichen Fotos zu sehen und wurde ausdrücklich nach Nürnberg zu Marokkaner Nummer 1 und nach Rabat, zu Marokkaner Nummer 2 eingeladen.

Vielen Dank Youness und Omar!
Ich freue mich sehr darauf, Butyi begleiten und euch besuchen zu dürfen.

Der Vormittag in der Schule war dann übrigens richtig toll!
Omar und Youness machten mit uns Ahidous. Dieser war hinsichtlich Gesang und Tanz aus marokkanischer Sicht vielleicht wenig schön, aber wurde mit viel Lachen und Begeisterung aufgenommen. Alle waren begeistert und es sieht tatsächlich so aus, als ob eine Gruppe Schülerinnen und Schüler mit Yuness und mir eine Reise nach Marokko unternehmen werden.

Tja Omar, so schnell vermehrt sich auch hier in Deutschland der Besuch!
Aus der Einladung an einen Hund (nebst Begleitung), wird ganz schnell eine Horde Ahidousverrückter Deutscher.

 

 

Ein Satz steht ganz besonders für mich über diesen drei Tagen mit Youness und Omar.

 

 

 

 

In Heidelberg waren wir im „Hans im Glück“ essen und ich erzählte den beiden das Märchen von Hans:

Nach sieben Jahren Arbeit erhält Hans zum Lohn einen großen Klumpen Gold von seinem Herrn. Mit diesem macht sich frohen Mutes auf den Weg hinaus in die Welt.
Seinen Besitz tauscht er hierbei gegen immer andere Verlockungen ein: das Gold gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans und die Gans gegen einen Schleifstein, der ihm dann zu guter Letzt in den Brunnen fällt.
Immer wieder freut sich Hans über den guten Tausch und seinen neuen Besitz, der ihn von seinen alten Lasten und Zwängen befreit. Als er am Ende auch noch den Stein los ist, kann er sein Glück kaum fassen: Endlich ist er frei!

 

„So glücklich wie ich“, rief er aus, „gibt es keinen Menschen unter der Sonne.“ Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.

Am Ende schaute Omar uns beide an und sagte: 

„Wir sind Hans!“

 

 

 

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Ausblick nächster Artikel

Ich bin Hans.
Marokko, ich komme!

Für mich könnte im Moment keine Philosophie passender sein.
Mein Goldklumpen habe auch ich mir hart erarbeiten müssen und wie Hans habe ich nun begonnen, diesen einzutauschen.
Von Mal zu Mal wird es mir leichter ums Herz.
Zwischendurch stehe ich auf der Straße und beginne zu lachen – einfach so – und bin glücklich, frei zu sein und meinen Weg zu gehen….

 

Die Karawane zieht weiter!

لقافلة تسير و الكلاب تنبح

Bildergebnis für ‫القافلة تسير والكلاب تنبح‬‎

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich hatte euch
die Geschichte von Zaid und mir
erzählt und  meine Fragen geschildert, mit denen ich zurück bleibe.

 

Neben den Kommentaren hier auf dem Blog, habe ich in diversen Facebookgruppen unterschiedlichste Antworten erhalten. Was ich hierbei total spannend finde:

Die europäischen, von Frauen verfassten Überlegungen zielten alle darauf ab, sich in Zaids Situation hineinzuversetzen und sein Verhalten – ohne eines Unterstellens schlecher Absichten – zwar nicht entschuldbar, aber doch nachvollziehbar zu machen. Die Statements der Männer hingegen, überwiegend Marokkaner, verwiesen kurz und präzise auf eigennützige Motive und eines durchaus absichtlichen und bewussten Handelns.

Die „Wahrheit“ werde ich vermutlich niemals zu erfahren. Meine Überlegungen waren ebenso wie die der anderen Frauen wohlwollend – daher auch die Frage nach Kultur, die dies vielleicht „entschudigen“ könnte -, mittlerweile bin ich jedoch bei dem männertypischen und harten Fazit angekommen.

Ich will dieses Kapitel nun mit der für mich einleuchtendsten Erklärung und einem arabischen Sprichwort beschließen:

 

Al 9afilate tasir wa lkilabo tanbah.

Die Karawane zieht weiter, die Hunde bellen…

 

Muhas und mein Weg geht weiter, und zwar gemeinsam als Freunde. Wir haben diese Geschichte überlebt und das Zusammenhalten danach hat unsere Freundschaft tatsächlich stark gemacht.

 

Einen letzten „Beller“ gab es übrigens noch: Zaid hat sich nach Erscheinen des letzten Artikels bei mir gemeldet.
Er hat Angst, dass Bekannte die Geschichte mit ihm in Verbindung bringen und will mir unterbinden, weiter hiervon zu schreiben.
Lieber Zaid, Mustapha, Tarek oder sonst wer (such dir einen Namen aus): Es gibt nichts mehr zu sagen! Alles ist gesagt.
Und ich frage dich: Wie könnten andere diese Geschichte dir zuordnen, ist doch dein Name hier erfunden und gewisse Umstände verändert? Nur die unmittelbar Beteiligten wissen davon – Muha, du und ich -, ach ja: und natürlich diejenigen, denen man außerdem davon erzählt hat.
Ich habe nach diesem Erlebnis meine Lehre erhalten und niemandem mehr etwas erzählt. Zaid ist und war der erste und letzte, dem ich mich anvertraut hatte. Und wenn du, Zaid, nichts erzählt hast – wie du immerzu betonst – brauchst du ja keine Befürchtungen zu haben.