Mit Hund, Auto und Gepäck nach Marokko


Die Länge des Tages. –
Wenn man viel hineinzustecken hat, so hat ein Tag hundert Taschen. (Nietzsche)

 

An diesen Ausspruch muss ich in der letzten Zeit immer wieder denken: Tagsüber, wenn ich allerlei verschiedenste Dinge erledige und zwischendurch erstaunt feststelle, was an einem Tag alles zu schaffen ist und abends wenn meine To Do-Liste um einige Punkte kürzer ist.

Was allerdings auch nicht zu verschweigen ist: Immer wieder kommt ein neuer Punkt dazu, weil ich an etwas nicht gedacht habe – vermeintliche Kleinigkeiten, die aber echt Zeit oder Nerven kosten wie „Ups, ich muss den Strom abmelden. Ich hab die Kündigungsfrist verpasst…“. Oder ganz trivial, dass ich nicht mehr genau weiß, was ich warum und eigentlich, bereits vor einiger Zeit organisiert und überlegt hatte: „Warum nochmal hatte ich mich für die Route über Genua entschieden und gegen die Fahrt durch Frankreich und Spanien?“…

Um es auf den Punkt zu bringen: Es reicht!

Umzug, Reisevorbereitungen, daneben Arbeit und der normale Wahnsinn, ich bin wirklich froh, wenn es einfach bald vorbei ist und ich mit Gepäck und Hund im Auto auf dem Weg nach Genua zur Fähre bin.
Da die Überfahrt nun fix gebucht ist, ist es absehbar: In drei Wochen ist es soweit! Und alles, was bis dahin nicht gelaufen ist, hat wohl nicht sollen sein.


Doch zwischen all dem Stress gab es kleine Lichtpunkte, die mich daran erinnerten, dass ich mein Abenteuer vorbereite und mir etwas Einmaliges bevorstehen kann, wenn ich es nur zulasse und den Stress hinter mir lasse. 


Ich habe die Tage ein Päckchen aus der Schweiz bekommen, von Lena Grossmüller. Danke Lena! Ich habe mich wahnsinnig gefreut und es kam genau zum richtigen Zeitpunkt, als ich inmitten des Stress schon fast vergessen hatte, was ich gerade dabei bin zu tun!
Lena hat mir ihren „Reiseführer des Zufalls“ geschickt, der mich die nächsten Wochen und Monate begleiten wird und mich immer daran erinnern soll:

Das Leben ist schön! Es lebe der Zufall!

 

Skye und weitere Hunde von Heinz

Ich habe in den letzten Monaten und Wochen auch „meine“ Facebook-Gruppen zu schätzen gelernt. Die Antworten ermutigen mich und nehmen dann doch manchen Zweifel, die sich in der letzten Zeit eingeschlichen haben.
Bin ich zu naiv? Vielleicht haben doch „alle“ recht, die die Reise mit einem Hund in ein vom Islam geprägtes Land für schwierig halten?“

Eva-Maria mit Bazou und Chianga www.tagespfluecker-on-tour.de


Danke für die schnellen Infos, vor allem aber Shocran bzaaaf  für die wunderschönen Bilder, die meine Sehnsucht zwischen all dem Stress haben wieder aufleben lassen!

 

 

 

 

 


Soweit der kurze Zwischenbericht aus dem kalten Deutschland zwischen Umzugskartons, Laptop und Hund.
Wir „hören“ oder sehen uns.
Den einen oder anderen werde ich vielleicht sogar auf meinem Weg nach und durch Marokko treffen – Inshallah – und Zeit für einen Tee oder auch zwei, die werde ich dann auch endlich haben!

 

 

Die Deutschen…

Das Seltsamste an Deutschland ist,

dass hier Männer Kinderwagen schieben,

dass Radios so billig und Teppiche so teuer sind

und dass den ganzen Tag Kirchenglocken bimmeln.

 

In Deutschland dachte ich zu Anfang,

hier würden den Leuten Hunde geboren statt Kinder.

Denn sie haben viele Hunde

und tragen sie auf dem Arm.

Hunde und Katzen

leben wie Könige in Deutschland.

 

In Deutschland gibt es Leute, die haben Geld

und sehen trotzdem traurig auf die Erde.

Sollen sie den Kummer denen überlassen,

die kein Geld haben.

 

Die Deutschen sind pünktlich wie die Eisenbahn.

Das kommt daher,

dass sie nur ein Gleis kennen,

nie vom Weg abgehen,

kein Unkraut, keine Blumen

in den Seitenwegen pflücken.

Sie fahren immer geradeaus,

sind pünktlich wie die Eisenbahn

und nehmen nichts wahr.

Hajaj, Mustapha et al (1981): Fünf Geschichten. Ararat-Verlag.

 

Ich packe und dabei fallen mir immer wieder Bücher, Gedichte und Texte in die Hand, die ich nicht spurlos in einem Karton verschwinden lassen möchte. Viele blätter ich durch, vergesse die Zeit und merke, wie sehr mich Worte und Sprache begleiten und je nach Phase und Lebensabschnitt eine ganz eigene Bedeutung bekommen.

So geht es mir auch mit diesem Gedicht von Mustapha Hajaj.

Ich frage mich, ist es erschreckend oder normal, dass sich seit diesem Gedicht vor nun doch fast 40 Jahren meines Erachtens nach wenig geändert hat?

Und ich überlege:
Wie wird es mir ergehen, wenn ich statt der Kirchenglocken die Muezzins rufen höre? Wenn ich die Katzen und Hunde in Marokko erleben werde?
Nehmen die vielen Marokkanerinnen und Marokkaner, die ein unbändiges Lebensgefühl äußern, obwohl (oder gerade weil) sie um ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen, tatsächlich die Seitenwege und die Blumen wahr? Oder ist das vielmehr die romantische Interpretation der Deutschen, die den Gegenpol zu einer durchorganisierten Welt suchen?

Das Gedicht stimmt mich nachdenklich.

Antworten werden wohl in Marokko nach und nach folgen – und sicherlich noch viel mehr Fragen, die sich aus meinen Eindrücken ergeben werden…