Ramadan in Marokko

 

 

 

Ramadan in Marokko

Wie wird Ramadan in Marokko begangen? Wie werde ich als Europäerin und Nichtmuslima den Ramadan hier in Marokko erleben und empfinden?
Das waren meine Ausgangsfragen, wobei ich meine persönliche Herausforderung darin sah, auf Trinken und Essen zu verzichten. Abgesehen davon hatte ich jedoch in erster Linie den Wunsch, die religiösen und kulturellen Rituale und Praktiken durch eigenes Erleben kennen zu lernen und ein Stückweit zu begreifen.
Ich möchte an meinen 12 Tagen Aufenthalt Anteil an dem durch den Ramadan geprägten Leben haben, die Stimmungen erfassen und diese für die Marokkanerinnen und Marokkaner bedeutsame Zeit verstehen.

 

Ramadan in Marrakech

Die ersten drei Tage verbrachte ich bei zwei Freundinnen in deren Einzimmerwohnung in Marrakech. Diese Anfangszeit meines persönlichen Ramadans wird vermutlich die eindrücklichste sein und bleiben.

Sehnsüchtig erwartet: Wasser!

Und um es gleich vorneweg zu sagen und kurz zu machen: Ich verzichte seit sechs Tagen tatsächlich zwischen Sonnenaufgang und -untergang auf Trinken und Essen und es ist letztendlich einfacher als erwartet. Mehr muss zu hierzu gar nicht gesagt werden, obwohl ich mir gerade hierüber zuvor doch recht viele Gedanken gemacht hatte. Mehrmals wurde ich von meinen Freundinnen und Bekannten gefragt, ob alles okay ist, ob es mir gut gehe und erstaunlicherweise hielt sich Hunger und Durst in normalen Grenzen.

In Marrakech habe ich eine Ahnung von den Ramadantagen und -nächten bekommen, wie sie junge selbstständige Frauen in der Stadt, ohne ihre Familien in den Dörfern begehen. Die recht heißen Tage bestehen für uns drei, die wir aktuell zum nicht arbeitenden Teil Marokkos gehören, aus einem möglichst langen Schlafen und Dösen bis mindestens 12 Uhr. Das ist meine persönliche Herausforderung: Ich bin Frühaufsteher und langes Nichtstun fällt mir schwer. Für Unternehmungen und sogar Lesen bin ich zu schlapp, die ersten zwei Tage habe ich  kein Internet, Fernsehen oder andere Ablenkungsmöglichkeiten gibt es nicht.

Spät nachmittags gehen wir auf den Souk, die Zutaten für die Mahlzeiten einkaufen.

Wieder erschöpft zu Hause wird das Lftor – die sehnsüchtig erwartete Mahlzeit zu Sonnenuntergang – zubereitet, ebenso das Suhor, das gegen 3 Uhr vor Beginn des neuen Fastentages eingenommen wird.

Was das Beten angeht: Während Mariam ab und an zu Hause auf ihren Gebetsteppich ihre Gebete verrichtete und einmal hierzu die Moschee besuchte, erklärte mir Lobna auf meine Nachfrage hin sehr entschieden, dass sie davon wenig halte. Allah sehe das Herz und die Einstellung an, und hierzu sei kein sichtbares Beten zu bestimmten Zeiten oder an vorgegebenen Orten notwendig.

Das Fasten selbst wird allerdings penibel eingehalten.
Als ich am zweiten Tag eine mir angebotene Rosine gedankenlos in den Mund stecke, war Lobnas Entsetzen groß. „Stiff, nein! Spuck es wieder aus!“ Ich schaute sie verwundert angesichts ihrer Aufregung an und schluckte den Rest der Rosine herunter. Dann erst verstand ich. Lobna beruhgte mich dann wiederum wortreich: „It is no Problem – Mashi moshkil -, du hast es nicht mit Absicht getan. Der Ramdan geht weiter, das zählt nicht! No worry.“
Ich bin erstaunt, trotz des Hungergefühls, habe ich vergessen, dass ich mich im Ramadan befinde. Fasten kann wohl auch bei einer Unerfahrenen wie mir relativ schnell zu einer „normal außergewöhnlichen“ Situation avancieren.

 

 

Für mich ist „Ramadan“ nicht länger nur ein Wort oder ein Sachverhalt, den es zu erklären gilt…

Ramadan hat einen ganz eigenen Klang bekommen.
Ramadan ist angefüllt mit den nacheinander einsetzenden Rufen der Muezzins, dem melodischen Beten des Imans, dem Lachen der spielenden Kinder, dem Rufen der Frauen und Männer. Ramadan ist die Stimme Mariams, die mich nachts zum Sohur weckt, die vollkommene Stille über Marrakech am frühen Morgen, der Schrei des Hahns bei Sonnenaufgang und das daran anschließende laute Vogelgezwitscher.

Ramadan besteht aus Farben…
Ramadan ist für mich grün, grün wie die Farbe des Propheten und den Verzierungen auf den Moscheen Marokkos.
Ramadan leuchtet für mich in dem für Marrakech typischen warmen Rosa. Hier habe ich meinen ersten Ramadan begonnen und erlebt. Diesen werde ich immer in Erinnerung behalten.

Ramadan ist aber vor allem bunt! Die Frauen, deren Djellabas und Kopftücher in den unterschiedlichsten Farben und Mustern, aneinandergereiht vor den Moscheen, die einefarbenfrohe lebendige Mischung ergeben. Und immer wieder und überall die Kinder, die direkt daneben unbeschwert herumtollen und spielen.

 

Ramadan duftet nach den sorgfältig zubereiteten Mahlzeiten, deren Geruch aus den unzähligen Küchen der Frauen dringen und das bevorstehende gemeinsame Essen zu einer besonderen Situation werden lassen.

Ich habe Ramadan nicht als ein stures Aushalten des Hungergefühls und des Bedürfnisses nach Wasser erlebt, sondern immer auch als ein Reduzieren des eigenen Komforts. Hunger und Durst sind nicht zu leugnen, sollen es aber auch gar nicht sein. Der Verzicht soll an die Menschen erinnern, die weniger als wir zum Leben haben und uns zu Zaka – zur Wohltätigkeit – animieren.

 

 

Ramadan in Casablanca

Die zwei darauf folgenden Tage in Casablanca, dieses Mal in einem reinen Männerhaushalt, weichen in ihren Praktiken zwar von dem bisher Erfahrenen ab, bestätigen aber das grundlegende Empfinden: Ramadan ist eine überwiegend positive Zeit, voller Lebendigkeit und Intensität.

Obwohl mein Gastgeber Abdullah das Ganze weitaus pragmatischer und effizienter als die Frauen angeht – es wird nicht gekocht, sondern schnell fertig eingekauft oder außerhalb gegessen – und obwohl das von der Wirtschaft geprägte, moderne Casa einen komplett anderen Charakter als Marrakech aufweist, das Bild abends vor der Moschee ist dasselbe:Lachende, spielende Kinder neben betenden Frauen und Männern, fröhlich schwatzende Familien auf dem Weg zum oder vom Gebet. Auf dem Weg zur Moschee sieht man betende Grüppchen in Parks und Straßen, daneben Fußball spielende Jugendliche und ins Handy kichernde junge Frauen.

Scheinbare Gegensätze an Lebensentwürfen existieren hier größtenteils friedlich nebeneinander und ergeben den typisch marokkansichen Ramadan.

Heute ist der sechste Tage meines Ramadans. Bis jetzt – so mein Zwischenresümee – empfinde ich diesen als lebensbejahende und frohe Zeit, die unterschiedlich praktiziert und ausgelebt werden kann und das Potenzial hat, Menschen zu einer Gemeinschaft zu verbinden. Von der Gereiztheit der fastenden Menschen, vor der ich gewarnt wurde, konnte ich bis dato nichts spüren.