Gemeinsamkeit im Ramadan

Wieder zurück in Deutschland… 

Ramadan ist mit dem Ait al-Fitr für dieses Jahr zu Ende gegangen. Damit wird es auch Zeit für die letzten Eindrücke. Mein Resümée wird ebenfalls in den nächsten Tagen folgen…

 

Gemeinsamkeit im Ramadan

… mit alleinstehenden Frauen in der Stadt

Mein erster Bericht war von den Tagen in Marrakech mit den beiden Frauen geprägt. Ich hatte hier von den schönen Erfahrungen gesprochen, auch von dem als wertvoll empfundenen Zusammensein und Essen in der Gemeinschaft.

Das gemeinsame Begehen des Lftors und Suhors hat für mich eine ganz besondere Verbindung zu den Frauen hergestellt. Wir haben uns zusammen auf die Mahlzeiten gefreut und uns darauf vorbereitet. Die fastenbrechende Mahlzeit haben wir geradezu zelebriert.

„Kein König könnte besser essen als wir!“

Ich glaube nicht, dass meine beiden Freundinnen glauben, wie erst es mir mit dieser Aussage war…

Das Besondere war nicht alleine durch das Fasten und die Freude auf Essen und Trinken begründet oder der Tatsache, dass es echt lecker war. Unsere Mahlzeiten waren im Vergleich zu denen der Familien sogar recht bescheiden.

Das Essen wurde durch uns dreien erst zu einem Fest!

Nach dem Essen blieben wir einfach an Ort und Stelle und legten uns neben dem niederen Tisch (in Marokko sitzt man traditionell ohne Stühle) auf den Boden mit weit ausgestreckten Beinen und Armen. Wir redeten ein bisschen, hörten Musik und dösten vor uns hin.

Danach gingen wir mit neuer Energie zum nächsten Teil der Nacht über.

Meist gingen wir – wie die meisten Marrakchi – zum Djema el Fna, um uns von den Trommelklängen und der Musik mitreißen zu lassen, zu lachen, zu singen und immer wieder über die gleichen Künstler zu staunen.

Diese Gemeinsamkeit mit den einfachsten Mitteln war eine wunderschöne Erfahrung, die ich immer mit meinem Ramadan verbinden und nie vergessen werde!

 

Gemeinsamkeit im Ramadan

… in Familien aus den Dörfern

Das gemeinsame Fastenbrechen wird in den Familien im Wesentlichen genauso begangen. Es wird gemeinsam gegessen und danach noch am Tisch sitzen geblieben.

Der Unterschied zeigt sich jedoch in der Auffassung von „Gemeinschaft“.

Gemeinsam ist für mich mehr als zusammen an einem Tisch zu sitzen und das Essen zu sich zu nehmen. Das ist zwar schon mehr als viele Kinder in deutschen Familien erleben, doch die Tatsache physisch vorhanden zu sein, macht eben noch keine Gemeinschaft aus.
„Gemeinsam“ schließt Werte und daraus resultierende Verhaltensformen ein – so meine Ansicht -, die von gegenseitiger Rücksicht, Wertschätzung und Interesse geprägt sind.

Die marokkanischen Familien, die ich besuchen durfte, haben hiervon eine andere Definition.

http://www.entoen.nu/vensterplaat-televisie

Die Essenssituationen und das Verhalten der Familien erinnerte mich sehr stark an die der  deutschen Familien aus meiner Kindheit in den 70er und 80er Jahren, als das Fernsehgerät in den Wohnzimmern zu einem selbstverständlichen Bestandteil jeglicher Tätigkeiten geworden war, unter anderem eben auch der Mahlzeiten. Ich kenne den in Marokko praktizierten Fernsehkonsum im Ansatz noch aus meiner Kindheit, wobei das Fernsehen „nebenher“ in Abgrenzung zu den „Arbeiterfamilien“ recht schnell verpönt war.

Nun, der Fernseher lief bei den marokkanischen Familien während der Mahlzeiten immer und war bei manchem mehr, bei manchem weniger, Bestandteil des Essens und des Zusammenseins danach. Teilweise war das Geschehen in den Seifenopern jedoch präsenter als die Personen und das Essen am Tisch.

Würde ich die Familien fragen, würde sicherlich auch das Fernsehen als Element der Gemeinschaft genannt werden. Tatsächlich haben sich die Familien über die Szenen und Handlungen der Schauspieler unterhalten. Als Europäerin, die dazu erzogen wurde, neben dem Essen nicht zu fernsehen und nur ausgesuchte Sendungen gezielt zu sehen, widerspricht dies jedoch meinem Sinn von Gemeinschaft.

Letztendlich ist dies aber wiederum nur meine Wahrnehmung und eine Sache des kulturellen Habitus. Hätten Loubna und Mariam ein Fernsehgerät gehabt, wer weiß, wie ich dann dort die Tage des Ramadans erlebt hätte…?!