Mein erster guter marokkanischer Freund war Zaid.
Ich lernte ihn in meinem Marokko-Urlaub kennen.
Er begleitete unsere kleine Reisegruppe und er war es, der mir die Kultur der Imazighen (Berber) und den Stolz über diese in Marokko lange unterdrückte Kultur nahe brachte.
Beim Abschied sagte ich: „Zaid, ich werde komme wiederkommen.“, so wie es vermutlich viele Touristen tun und in diesem Moment auch (mehr oder weniger) davon überzeugt sind.
Zaid sagte: „Merhaba. Du bist hier herzlich willkommen. Marokko wartet auf dich.“
Vier Monate lang hielten wir intensiven Kontakt:
Wir schrieben, wir telefonierten. Wir erzählten uns alle mögliche Dinge, von ganz alltäglichen Dingen bis hin zu unseren Vorstellungen über das Leben, unsere Ziele und Träume. Zaid erzählte mir viel über seine Beziehung mit einer deutschen Frau.
So weit so gut.
Ich kündigte an, über Weihnachten und Silvester nach Marokko zu kommen und Zaid lud mich ein, sein Gast zu sein.
Beide freuten wir uns auf unser Wiedersehen.
Für mich stellte dieser erste Besuch als Gast – nicht als Touristin – eine wichtige Reise dar.
Wie werde ich Marokko in einer großen Stadt – in diesem Fall Marrakech – erleben, ohne das intensive Erleben und Weite der Berge? War mein Empfinden im Sommer tatsächlich mehr als nur ein flüchtiges Urlaubsgefühl, dem nachzugehen sich lohnt?
Diese Fragen beschäftigten mich.
Aber um ganz ehrlich zu sein: Dieser Besuch war weniger eine „Überprüfung“, als das Einholen einer letzten Bestätigung. Marokko war schon so fest in meinem Kopf verankert, dass die ernüchternde Bilanz „Es war nur eine Idee.“ gar keine Option mehr darstellte.
Es war außerdem das erste Mal, Weihnachten nicht zu feiern oder in Deutschland zu verbringen.
Weihnachten als christliches Fest gemeinsam mit der Familie zu begehen war mir stets wichtig und ist es mir auch noch. Doch dieses Mal, erschien mir die islamgeprägte weihnachtslose Variante in Marokko die Richtige zu sein.
Kein Hotel. Keine Absicherung. Keine feste Pläne, was ich unternehmen oder anschauen wollte.
Ich bin überzeugt davon: Wir Deutschen machen zu viel Pläne.
Alles ist getaktet und durchdacht und nimmt damit so viele Möglichkeiten, das Überraschende zu genießen oder uns auf das Unerwartete einlassen zu können.
Zaid fragte mich, was ich vorhätte, wenn ich kommen würde.
Ich sagte: „Nichts. Ich will es dieses Mal auf marokkanische Art machen.
Ich will einfach nur kommen, dich treffen und die erste Nacht bei dir Gast sein.
Ich möchte in Cafés sitzen, die Stadt erkunden, Fatima treffen. Na ja… und dann mal sehen. „
Zaid lachte und sagte: „Also doch wieder ein Plan!“
Das einzigste, worauf ich mich verließ war, dass Zaid mich am Flughafen abholen würde und ich die erste Nacht bei ihm und seinem Mitbewohner bleiben konnte. Ich hatte zwar keine Angst, was sollte schon passieren? Doch einen festen Ankerpunkt am Anfang beruhigt doch ungemein.
Es war es eine Erfahrung, die ich noch nie gemacht hatte: „Einfach so“, ganz alleine in ein fremdes Land zu reisen, ohne zu wissen, wo ich den darauf folgenden Tag sein und was ich machen würde. Sich einfach auf das Land und den Tag einlassen…
Angst? Nein. Aufregung: Ja!
Und so fuhr ich nach einem letzten hektischen Arbeitstag direkt zum Frankfurter Flughafen und stand zwei Tage vor Weihnachten mitten in der Nacht mit einer Reisetasche zu meinen Füßen, mit einem Handy in der Hand im warmen Marrakech am Flughafen und hielt Ausschau nach Zaid…