Männer im Ramadan

Wieder zurück in Deutschland… 

Es ist bereits eine Woche her, dass ich in meinem deutschen Leben angekommen bin und entsprechend schnell hat mich der Alltag eingeholt. Die Zeit – die ich in Marokko immer habe – fehlt hier. Dementsprechend kommen nun auch die Berichte über meine Eindrücke aus der Zeit des Ramadans in Marokko etwas verzögert.

Tatsächlich ist heute auch schon der letzte Tag des Ramadans angebrochen.

Jamal erzählt mir, wie das Aid al-Fitr – hier durch die Türkei bekannt als „Zuckerfest“, also das Fest am Ende des Fastenmonats Ramadan – in seiner Heimat gefeiert wird. Etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang des ersten Tag des Folgemonats, dem Schauwāl, wird das Festgebet auf einem offenen Gebetsplatz – Mosala – nach Vorbild des Propheten Mohammeds begangen und dann ausgiebig in der Familie mit viel Essen gefeiert. Die Menschen begegnen sich auf den Straßen, wünschen sich ein gutes Fest und bitten sich gegenseitig um Verzeihung für Ungutes, das man sich vielleicht zugefügt hat. Das Fest kann bis zu drei Tage dauern. Es ist Brauch, an diesen Tagen seine Verwandten zu besuchen.

Auch Mariam und Loubna sind von Marrakech aus aufgebrochen und auf dem Weg nach Hause in ihre Dörfer. Sie wollen mir Bilder schicken. Inshallah, werde ich das nächste Jahr dabei sein dürfen.

Nun aber weiter mit meinen Eindrücken aus dem marokkanischen Ramadan in Fès und dem Dorf bei Khenitra…

 

Marokkanische Männer

Als Gast in den Familien lernte ich marokkanische Männer von einer neuen Seite kennen. Bisher hatte ich mit Männern in anderen Kontexten, zuerst als Touristin, dann als Bekannte und Freundin zu tun gehabt. Ich war auch Gast bei meinen männlichen Freunden gewesen und hatte sie so näher kennen lernen können.

In Marokko eingeladen zu sein bedeutet, mehrere Tage eine sehr warmherzige Gastfreundschaft zu genießen. Ich höre oft: „Das wird mit einem Hintergedanken verbunden sein.“ Und: „Sie werden eine Gegenleistung erwarten.“

Meine Erfahrungen bisher mögen vielleicht nicht zahlreich sein und auch keiner Statistik standhalten, aber ich fühlte mich bisher noch nirgends so willkommen und aufgenommen wie ich es in Marokko erlebt habe und erlebe.

Unabhängig jedoch, ob nun intensiver als Gast zu Hause oder zu gemeinsamen Unternehmungen außerhalb, die bisherigen Begegnungen mit Männern fanden stets ohne deren Familien statt. Dies wurde mir bei diesem Aufenthalt bewusst. Die neuesten Erfahrungen haben sich von den bisherigen nämlich deutlich unterschieden.

 

Mein Leben mit den Männern gestaltete sich für mich bisher locker und relativ frei. Ich liebe meine Freundinnen im Marokko und genieße es, bei ihnen zu sein, doch mein gewohnter Way of Life entspricht viel eher dem der Männer.

Ich genieße in Marokko viele Privilegien, die sich marokkanische Frauen erst erkämpfen müssen – sofern sie dies wollen -, zum Beispiel selbstverständlich in ein von Männern dominiertes Café zu gehen. Für mich als Europäerin mashi moshkil – kein Problem.

Ich bin dort tatsächlich sehr entspannt. Und das nicht nur, weil der Café so gut schmeckt oder die Kellner mich meist sehr zuvorkommend bedienen wenn ich auf Darija Cafe bestelle. Es ist vielmehr als das: Ich liebe die marokkanischen Cafés! Ich kann Stunden dort verbringen. Ich schlürfe meinen Café nosnos, checke die neuesten Beiträge auf Facebook, schreibe an meinem Blog weiter oder tue einfach nichts. Wobei „nichts“ der falsche Ausdruck ist. Im Café sein heißt, kollektiv mit den anderen Besuchern, in Richtung Straße ausgerichtet zu sitzen und dem Treiben vor dem Café zuzusehen. Dies wird noch Inhalt eines ausführlicheren Beitrags sein.

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja: Ich bin hier ein selbstverständlicher Teil der männlichen Cafébevölkerung. Dies stellt eine überaus angenehme Erfahrung gegenüber den täglichen Gängen durch die Straßen dar. Wenn ich in Marrakech auf die Straßen gehe, werde ich ständig und von nahezu allen Männern angeschaut.

 

Und hiermit bin ich bei einer absolut positiven Erscheinung des Ramadans.

Normalerweise fallen die Männer fast von ihren Mofas (ehrlich, nicht übertrieben, kam schon vor) weil sie sich den Kopf nach mir verrenken und Jungen klettern auf die Mauer um zu schauen, ob meine Haare wirklich, also am Ansatz „blond“ sind.

Im Ramadan aber besinnt sich die männliche Bevölkerung Marokkos tatsächlich auf die Gebote und würdigt mich keines oder nur unauffälliger Blicke. Sie halten spürbar Distanz zu mir.

Ich habe bisher an keinem meiner Aufenthalte übergriffiges oder respektloses Verhalten seitens Männern erlebt. Das möchte ich hier betonen. Es bedarf allerdings schon einiger Gewöhnung, mit Verlassen des Hauses gedanklich einen Laufsteg zu betreten.

 

Die klare Rollenverteilung zwischen Mann und Frau zeigen sich mir im Ramadan besonders deutlich.

 

Die Plätze außerhalb der Häuser waren vor allem auf dem Dorf ausschließlich von Männern bevölkert. Die Zeit vor dem abendlichen Fastenbrechen, dem Lftor, ist eine hiervon. Während   die Frauen seit dem Nachmittag oft damit beschäftigt sind stundenlang zu kochen, treffen sich die Männer derweil mit Freunden und vertreiben sich so die Zeit bis zum Essen.

Sehr extrem nahm ich die Zeit nach dem Essen wahr. Die Cafés sind voll von Männern, die gestärkt vom Essen ihren Kaffee genießen und rauchend Karten spielen oder es sich einfach mit ihren Freunden gut gehen lassen. Die Plätze sind voller Kinder und junger Menschen. Die Frauen dagegen sind zu Hause, machen derweil den Haushalt und bereiten wiederum das nächste Essen, das Suhor, vor.

 

Das Essen und alle Verrichtungen hierbei waren in den zwei Familien, die ich besuchte, Aufgabe der Frauen. Mithilfe eines Mannes konnte ich nicht entdecken.

Die Frauen erfüllten die Anweisungen der Männer und kamen deren Bedürfnissen oft schon zuvor. Wollte der Mann zum Beispiel weiteren Tee (und die Frau hatte es nicht bemerkt), tat dieser dies kund – und zwar nicht als Bitte, sondern als selbstverständliche Tatsche – und die Frau oder das Mädchen kam dem nach. Hierbei war es auch unerheblich, ob die Teekanne in Reichweite des Mannes stand oder nicht…

Das schockierte mich. Auch wenn mir bewusst war, dass diese Rollenverteilung noch vorhanden und gelebt wird, ich fand es unerhört und fühlte mich unwohl dabei.

In der Zeit meiner Anwesenheit nahm ich – zumindest in meiner Anwesenheit – kein Dank oder ein Lob über das Essen oder die Arbeit der Frauen wahr.

Ich habe andere marokkanische Frauen und Männer gefragt, wie dies bei ihnen zu Hause gehandhabt wird. Diese erzählten, dass es zwar Aufgabe der Frauen sei zu kochen, jedoch alle gemeinsam den Tisch decken würden und ebenso Hilfe beim Abzuräumen selbstverständlich sei. Auch ein „Bedienen“ während des Essens, so wie ich es wahrgenommen habe, gebe es nicht. Was nun die Regel und was die Ausnahme ist, ich kann es nur vermuten… Weitere Besuche werden sicherlich mehr Klarheit bringen.

 

Ich frage mich, ob das beschriebene Verhalten der marokkanischen Männer gegenüber ihren Frauen im Sinne eines Ramadans ist?!

Schlechte Gedanken und Handlungen sollen verstärkt im Ramadan vermieden werden! Fremde Frauen auf der Straße werden tatsächlich weniger offensichtlich angeschaut. Das Verhalten gegenüber den eigenen Frauen innerhalb der Familie ist jedoch genauso bestimmend wie (vermutlich) sonst auch.

Die Frage stellt sich hier dann natürlich, was von den Männern (und Frauen) als ungutes Denken und Handeln empfunden wird. Das selbstverständlich fordernde Verhalten gegenüber den Frauen zählt wohl eher nicht dazu. Würde dies als nicht angemessen gewertet werden, würde dies schließlich eine ganze Ordnung auf den Kopf stellen…

In Gedanken höre ich viele Männer sagen: „Die Frauen sind zufrieden damit. Sie wollen es nicht anders.“ Pffff… Liebe marokkanische Männer: Dieses Argument ist so schwach und Ausdruck eines überholten und selbstbezogenen Denkens. Ich bin froh, auch andere Männer aus Marokko zu kennen und sagen zu können: Nicht alle marokkanischen Männer sind so!