Ramadan 2018 in Marokko

Der neunte Monat des isla-mischen Kalenders steht vor der Tür.

 

Die Frauen beginnen hier nach und nach auf den Souks taschenweise Nahrungsmittel einzukaufen und nach Hause zu tragen, was ein zuverlässiges Zeichen ist: Die Fastenzeit des Ramadans beginnt in einigen Tagen.

Der Ramadan 2018 beginnt am 16. Mai und endet am 15. Juni.
Dieses Jahr allerdings nicht in Marokko!

Das Königreich Marokko hat beschlossen, dass Ramadan dieses Jahr verkürzt werden soll.

Der Grund ist ebenso einleuchtend wie aussagekräftig und zeigt den pragmatischen Umgang mit Religion auf:

Marokko hat sich zur Weltmeisterschaft 2018 in Russland qualifiziert und der erste WM-Tag würde sich mit dem letzten Tag des Ramadans überschneiden.
An diesem ersten Tag spielt der Gastgeber Russland gegen ein auszulosendes Land und wie fatal wäre es, würde eine fastende und unfite marokkanische Mannschaft so das Fußballfeld betreten!

Der 15. Juni wird in Marokko dieses Jahr somit sicherlich ein besonders ausgelassener und von vielen heiß ersehnter Festtag sein. Er wird sowohl der Auftakt zur WM 2018 und der erste Tag des Id al-Fitr, des „Zuckerfestes“ sein.

 

Ich werde dieses Jahr mit Anbruch des neunten islamischen Monats Marrakech vorläufig verlassen und in Richtung Meer fahren.

Ramadan werde ich auch hier erleben, jedoch in einer anderen Rolle als im letzten Jahr, nicht als Fastende und ohne die Teilhabe oder Zugehörigkeit zu einer Familie oder Freunde.

Wie sich dies gestalten wird, man wird sehen...

 

 

Letztes Jahr hatte ich zwei Wochen in Marokko bei Freunden verbracht und mitgefastet, das heißt von Sonnenaufgang bis -untergang unter anderem nichts gegessen oder getrunken. Ich wollte wissen, was Ramadan für mich in der Gemeinschaft mit muslimischen Freunden in Marokko ausmacht. Wie es mir dabei ging und welche Erfahrungen ich hierbei hatte, könnt ihr in meinen Berichten von 2017 nachlesen.

 

 

 

 

Die eigene Kultur neu erleben!

 

Kennt ihr das…? Wenn man verliebt ist, sieht man alles Mögliche – ganz Alltägliches – mit anderen Augen.

Routinierte Verrichtungen, die gewohnte Umgebung, das eigene Leben, das alles sieht man in einem neuen Licht, stellvertrend mit dem Augen des Anderen.

Plötzlich ist alles ein bisschen fremder, es ist neuer, spannender und man hinterfragt Dinge, die man jeden Tag übersieht oder gedankenlos ausführt.

Das Eigene mit einem verfremdeten Blick zu sehen – was sich beim Verliebtsein zu Anfangs oft automatisch einstellt – lässt sich auch auf die eigene Kultur anwenden und bewusst fördern.

 

Seit meiner Begeisterung für Marokko, hat sich mein marokkanisches Netzwerk auch nach Deutschland ausgebreitet und ich entdecke mein eigenes Land und die mir gewohnte deutsche Kultur durch „marokkanische Augen“ ein Stückchen neu.

So habe ich zum Beispiel begonnen, deutsche Städte (neu) zu entdecken. Ich habe Frankfurt – vermutlich die marokkanische City Nummer 1 in Deutschland – besucht, ich war dort bei Tinariwen und habe gelacht, als ich mitten in Deutschland Tamazight gehört und verstanden habe.

https://www.ditib-pforzheim.de/deutsch-1/bildergalerie/

In Stuttgart saß ich über eine Stunde in einem Schuhladen – statt Tee gab es Saft – im Gespräch mit zwei Marokkanern. Den einen davon (Hallo Tarek!) werde ich bald in Marokko in seinem Kindergarten in Tanger besuchen.

Und diese Woche war ich mit einer Freundin das Freitagsgebet in der deutsch-türkischen Fatih-Moschee in Pforzheim besuchen…

 

Ich störe mich oft an der Engmaschigkeit und der Unflexibiliät des deutschen Systems und Denkens, was sich meinem Empfinden nach durch sämtliche Bereiche des deutschen Lebens zieht.
Im Herzen fühle ich mich meinem Land oft nicht wirklich zugehörig.

 

Es gibt jedoch so viele Möglichkeiten die eigene Kultur bewusster und neu zu erleben.

Wenn ich in eine Moschee gehe und danach mit Kopftuch nach Hause fahre, ist das nicht ein Zeichen die eigene Kultur oder meine Religion zu verleugnen, sondern für mich eine Möglichkeit, auszuprobieren mit anderen Augen zu sehen und dadurch wiederum Eigenes und Gutes bewusster wahrzunehmen und gleichzeitig meine eigene Kultur mit neuen Elementen zu bereichern.